Musik

Deep Purple - All The Time In The World

5. April 2013 · Audio · andreas · Kein Kommentar

dp-attitwBeim demnächst erscheinenden Deep Purple-Album “Now What?!” wollen edel als Plattenfirma nicht nur alles richtig, sondern auch alles wie früher machen - Teaser an jeder Ecke und zum großen Erstaunen des Medienfachverkäufers im lokalen Saturn-Markt gibt es mit “All The Time In The World” sogar eine Vorab-Single, die rund einen Monat vor dem Album erscheint. Die Single enthält neben “All The Time In The World” sowie “Hell To Pay” (jeweils im Radio Edit) auch noch zwei auf dem Backcover nicht näher definierte Live-Tracks, die sich allerdings als Verwertung bereits bekannten Materials entpuppen:

“All The Time In The World” ist ein relaxter Track der so auch z.B. von Ian Gillans “One Eye To Morocco” stammen könnte und die Musiker und deren Zusammenspiel in entspannter Atmosphäre präsentiert, während “Hell To Pay” nach einigen kurzen “I Surrender”-Anklängen deutlich mehr Drive entwickelt. Erfreulich ist neben dem ausgewogenen Mix vor allem die Tatsache, dass die Vocals von Ian Gillan dank der Produktion von Bob Ezrin endlich wieder natürlich klingen.

Die beiden Live-Tracks hätte man allerdings besser weggelassen und eine 2-Tack-Single nach französischen Vorbild veröffentlicht. Bei den Aufnahmen handelt es sich um den bereits bekannten 2005’er Mitschnitt aus dem Hard Rock Cafe London, der schon damals nicht zu begeistern wusste. Neben dem für eine offizielle Veröffentlichung unterirdischen Klang ist vor allem das eigentlich unkaputtbare “Perfect Strangers” eine Belastungsprobe für Ohren und Nerven: Ian Gillan, meist irgendwo im Hintergrund wahrnehmbar, singt alles andere als grandios und das Fiepen der Gitarre nervt schon in der Songmitte dermaßen, daß man sich “Rapture Of The Deep” fast herbeisehnt. Hier ist dann zwar der Gesang kaum besser, aber wenigstens ist instrumental alles im grünen Bereich.

So gut der neue musikalische Inhalt, so lieblos und schlecht die Verpackung: nicht nur, daß die Single aussieht, als wäre das eigentliche Artwork nicht mehr rechtzeitig fertig geworden - irgendwer hätte dem Azubi besser nochmal die Namen der ihm offensichtlich unbekannten Musiker in der richtigen Reihenfolge aufschreiben sollen …

Airey (Paice) - Gillan (Airey) - Glover (Morse) - Morse (Gillan) - Paice (Glover)

Was nützt es, ein extra mit einem Teaser beworbenes Shooting mit Jim Rakete u.a. an der EastSide-Gallery in Berlin zu buchen, wenn anschließend beim daraus verwendeten Photo die Musiker alphabetisch statt in der richtigen Reihenfolge beschriftet werden? So wird Ian Paice zu Don Airey, dieser zu Ian Gillan, Steve Morse zu Roger Glover, Ian Gillan zu Steve Morse und Roger Glover - last but not least - zu Ian Paice. Das toppt sogar den “Twist in the Tail”-Verdreher vom 1993’er “Come Hell Or High Water”-Album.

Das Photo wurde absichtlich auf den für dieses Review wesentichen Teil reduziert.

Album-Highlights 2012

1. Januar 2013 · Audio · andreas · Kein Kommentar
Albumcover

Meine Album-Highlights des Jahres 2012 in alphabetischer Reihenfolge:

Anderson / Wakeman - The Living Tree in Concert - Part One

Rick Wakeman und Jon Anderson auf gemeinsamer Konzertreise mit einer grandiosen Mischung aus Yes-Klassikern und Tracks des “The Living Tree"-Albums.

Rosanne Cash - 10 Song Demo

Ein Neuanfang in vielerlei Beziehung und anders als der Album-Titel suggeriert mit 11 Songs in spärlicher Instrumentierung.

Delain - We Are the Others

Delain gehen konsequent ihren Weg weiter und veröffentlichen mit “We Are The Others” ein Album, das gegenüber “April Rain” nochmals eine Steigerung bedeutet.

Jon Lord - Concerto For Group And Orchestra

Posthum veröffentlicht, zeigt die erste Studioaufnahme das “Concerto” so, wie es bisher nur in der Vorstellung Jon Lords existierte.

Yohanna - Butterflies and Elvis (Original-Release von 2008)

Durch ihre ESC-Teilnahme 2009 auch einen breiteren Publikum bekannt geworden, ist “Butterflies and Elvis” das erste “erwachsene” Album des ehemaligen isländischen Kinderstars.

Maßgebend war das Anschaffungs-, nicht das Erscheinungsdatum.

"Concerto" talk with Paul Mann

14. Oktober 2012 · Verschiedenes · andreas · Kein Kommentar

On October 1st, 2012 “The Highway Star” had the opportunity to do an interview with Paul Mann. Being the conductor of the 1999 “Concerto For Group And Orchestra” performance and the subsequent Deep Purple world tour, Paul became a close friend to Jon Lord. Being also heavily involved in the making of the brand new studio recording, he shares some insight on various topics.

… choosing the musicians

Right from the start my feeling was – and it was one Jon shared – that we should try to make this new recording about the piece itself, as a composition of Jon’s - to try and cast the net wider than Deep Purple. Which is not to take anything away from them - they made it so much their own through the original performance and the thirty or so performances we did between 1999 and 2001. But for some people it became regarded as Deep Purple’s rather than Jon’s Concerto for Group and Orchestra.

Jon Lord and Paul MannI wanted to try to make a recording that came as close to what I understood as his intention and certainly my own feelings about the piece, and to bring it as close to the ideal as we possibly could. The idea was to try to choose people that would be suited to each particular part rather than to use a single band. We would sort of handpick the guitarists, and what we ended up with was a very interesting cross-section of people:

Darin Vasilev, this Bulgarian guitarist who Jon had played live with a few times and had really loved his playing. I didn’t conduct any of those performances, but he told me about this amazing guy and said “I think we really should have him on the recording.“ He’s been the real discovery of this project for me - really outstanding. Joe [Bonamassa] of course is such a great blues guitarist that he’s perfect for the second movement.

When it came to the third movement, all sorts of names were being mentioned and finally I said to Jon: “Look, everyone that we’re thinking of, I would end up saying to them: go and listen to what Steve Morse did back in 1999 and do something like that!” And if you’ve got a great star name, you can’t start telling them to play like someone else, so in the end I just said to Jon “Why don’t we just ask Steve to do it?” So I called him, and he was in the middle of writing sessions for the new album in Germany and as usual was massively busy, but he dropped everything and said “Yes of course, anything for Jon. I’ll do it tonight." A couple of days later I got some e-mails with three completely different takes of the whole movement. It was incredibly difficult to choose one. I wanted to release them all as extras so everyone could hear how great they were. Maybe we will one day. Thirtieth anniversary remaster…

But in the end it was good to have Steve alongside Jon to represent the quintessential spirit of Deep Purple and also still have a way to acknowledge everything the band did for the piece. It’s a good way of having the best of both worlds in that sense.

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Jon Lord - Concerto for Group and Orchestra

13. September 2012 · Audio · andreas · 7 Kommentare

Neueinspielungen sind ein gewagtes Unterfangen: hat der Künstler aus seiner Sicht gute Gründe (rechtlich, klangtechnisch, songschreiberisch, …) ein bereits veröffentlichtes Werk nochmals aufzunehmen, reagiert die Umwelt in der Regel skeptisch: Fans kennen und lieben das Original genau so, wie es seinerzeit veröffentlicht wurde und reagieren sensibel auf jede Änderung; manch einer vermutet auch lediglich die Eröffnung neuer Einnahmequellen mit möglichst geringem Aufwand.

In der Filmbranche zeigt George Lucas bereits seit Jahren, wie das Herumbasteln an der eigenen Legende den Ruf nachhaltig schädigen kann: jede neue “Star Wars”-Edition ändert noch ein bißchen mehr am bereits überarbeiteten Material, wobei nicht nur optische Elemente aufpoliert, sondern auch inhaltliche Änderungen vorgenommen werden - sehr zum Frust der zahlreichen Anhänger der ursprünglichen Versionen.

Mit dem 2012’er Release des “Concerto For Group And Orchestra” wagt sich Jon Lord an die dritte Aufnahme seines wegweisenden Werks von 1969, welche gleichzeitig auch die erste Studioaufnahme ist.

Die Uraufführung, anschließend als Deep Purple-Album veröffentlicht, stand unter keinem guten Stern: nicht nur einige seiner Bandkollegen brachten dem Projekt nur mäßige Begeisterung entgegen, auch das Royal Philharmonic Orchstra war von der Idee, zuammen mit einer Rockband zu musizieren, alles andere als angetan. So ist es wohl hauptsächlich dem Dirigenten Sir Malcolm Arnold zu verdanken, daß die Aufführung überhaupt ohne größere Zwischenfälle über die Bühne gehen konnte. Nach nur einer weiteren Aufführung 1970 in den USA ging die Partitur verloren, was gleichzeitig das Aus für das “Concerto” bedeutete.

Glücklicherweise gibt es allerdings Menschen wie den holländischen Musiker und Komponisten Marco de Goeij, der in mühevollster Kleinarbeit die Partitur mit Hilfe der 1969’er Aufnahmen weitestgehend rekonstruieren konnte, was in einer erneuten Aufführung des “Concertos” 1999 in London sowie einer anschließenden Deep Purple-Orchestertour in den Jahren 2000 / 2001 resultierte. Bereits hier hatte Jon Lord einige Änderungen gegenüber der Originalversion eingearbeitet, war jedoch mit dem Ergebnis noch immer nicht vollständig zufrieden.

“Over these last years since leaving Deep Purple, I’ve played it over 30 times with different orchestras and conductors all over the world, and, of course, in 2000 I did it well over 30 times with Purple on the Concerto tour, so I’ve been honing the piece live on stage, and I’ve had the opportunity to change things in the score that weren’t sounding quite right. It is therefore a marvellous and exciting prospect to have the definitive recording of the definitive version of the score.” [Jon Lord May 2012]

Zur Realisierung der Neuaufnahme holte Jon Lord den Dirigenten Paul Mann mit ins Boot, der bereits 1999 sowie auf der anschließenden Tour den Taktstock geschwungen hatte. Die Rhytmussektion wurde mit Guy Pratt sowie Brett Morgan ebenso hochkarätig besetzt wie die Gitarrenriege, in der neben Darin Vasilev und Joe Bonamassa auch Steve Morse vertreten ist, der bereits an der 1999-Aufnahme mitwirkte. Ein besonderer Coup gelang Jon Lord bei den Vocals, hier übernimmt neben den beiden Musikern seiner “Hausband” Steve Balsamo und Kasia Laska auch Bruce Dickinson einen Gesangspart.

Schon kurz nach dem Drücken der “Play”-Taste überrascht die Dynamik der Aufnahme mit einer Spannweite, wie sie bei aktuellen Produktionen leider nur noch selten zu finden ist und steigert sich, wenn Band und Orchester gleichzeitig loslegen, zu einem beeindruckenden Klangerlebnis.

Im Studio sicherlich kontrollierter agierend als in einer Live-Situation schaffen es Paul Mann und das Royal Liverpool Philharmonic Orchestra trotzdem, jeglichen Anflug von Sterilität zu vermeiden und das Zusammenspiel deutlich lebendiger zu gestalten als das Royal Philharmonic Orchstra 1969. Die Bandparts hingegen, auf der Originalaufnahme teilweise improvisiert, wirken deutlich arrangierter und kontrollierter, was dem Gesamteindruck jedoch nicht schadet.

Der Gesang wurde zweigeteilt: den ersten Teil übernimmt Steve Balsamo, ergänzt um Background-Harmonien von Kasia Laska, während im zweiten Teil Bruce Dickinson mit einer gefühl- und gleichzeitig kraftvollen Performance unterstreicht, welch großartiger Sänger er ist.

Insgesamt halten sich die Änderungen zum Originalwerk in Grenzen - zumeist sind es nur kleinere Schönheitsreperaturen um Übergänge gefälliger zu gestalten oder Kürzungen, um den Spannungsbogen zu intensivieren und genau wie 1999 scheinen die meisten Änderungen gegenüber der Originalaufnahme das “Third Movement” zu betreffen.

Jon Lord, der am 16.Juli 2012 verstarb, konnte vor seinem Tod den finalen Mix des “Concertos” noch fertigstellen und freigeben. Für ihn schließt sich der Kreis, denn das Werk, welches als erstes die volle Aufmerksamkeit auf seine Fähigkeiten als Komponist lenkte wird gleichzeitig auch die letzte Veröffentlichung sein, die unter seiner Regie entstand.

Erstaunlich, wie etwas “so altes” so frisch klingen kann.


Lita Ford - Living like a Runaway

19. August 2012 · Audio · andreas · Kein Kommentar

Nach der Veröffentlichung des eher mäßigen “Black”-Albums 1995 kehrte um Lita Ford ersteinmal Ruhe ein, bevor sie 2009 nach 14 Jahren mit “Wicked Wonderland” einen ersten Comeback-Versuch startete, der von vornherein zum Scheitern verurteilt war: nicht nur, daß von alten Trademarks kaum eine Spur zu finden ist, auch brauchbare neue Ansätze sind auf dem Album extrem spärlich gestreut. Stattdessen gibt es aufgesetzt wirkende Nu-Metal und Industrial-Versatzstücke gepaart mit einem omnipräsenten Jim Gilette, dem damaligen Ehemann und offensichtlich Hauptverantwortlichen für die neue Ausrichtung.

Glücklicherweise hat auch Frau Ford den Fehler bemerkt und in der Zwischenzeit nicht nur ihren Ehemann sondern auch alle in ihrem Besitz befindlichen Exemplare von “Wicked Wonderland” entsorgt - und die Trennung gleich als textliche Grundlage für’s neue Album verwendet.

Schon bevor man die ersten Töne des Albums gehört hat, machen das Cover sowie der Titel “Living like a Runaway” klar, daß die Reise “back to the roots” geht und die ersten Takte von “Branded” bestätigen diesen Eindruck:

Lita Ford hat wieder richtig Lust auf’s Rocken und zusammen mit Gary Hoey ein Album produziert, das Vergleiche mit Ihren Werken aus den 80’ern nicht zu scheuen braucht. Einzelne Songs hervorzuheben ist schwierig, für die Vielschichtigkeit des Albums sprechen aber sichelich Titel wie das rifflastige “The Mask”, das melodische “Asylum” oder das groovende “Love 2 Hate U” bevor das abschließende “A Song To Slit Your Wrists By” (eine 58/Nikki Sixx Coverversion) nochmals kurz schaurige “Wicked Wonderland”-Erinnerungen aufkommen lässt.

Totgesagte leben manchmal länger …