Genau wie Pink Floyds “The Final Cut” und ABBAs “The Visitors” ist auch Black Sabbaths “Live Evil” - der dritte Beitrag mit Schlagwort “Lieblingsalben” - von Anfang der 80’er Jahre und hat mit einer Band im Auflösungsprozess zu tun. In diesem Falle sind es Sänger Ronnie James Dio und Schlagzeuger Vinnie Appice, die zum Erscheinungszeitpunkt bereits keine Bandmitglieder von Black Sabbath mehr waren.
Schon das Cover war seinerzeit beeindruckend - düstereres Strandszenario mit vielen Figuren, welche die einzelnen Songs visualisieren. Da gab es viel zu entdecken und Dank noch nicht allzu gefestigter Englisch-Kenntnisse auch einiges zu rätseln.
Neben ein wenig Durchschnittskost hat “Live Evil” zahlreiche magische Momente und genau einer dieser magischen Momente hat mich beim ersten Hören gepackt und nicht wieder losgelassen: der rund 20 minütige Album-Höhepunkt “Heaven & Hell” und “Sign Of The Southern Cross”, verbunden durch ein Gitarrensolo von Tony Iommi. Deutlich mehr als die Instrumentalfraktion hat mich hierbei aber der Gesang bzw. die Stimme von Ronnie James Dio beeindruckt, einem Musiker, dessen Name mir damals noch gar nicht viel sagte, der aber - egal ob bei Rainbow, Black Sabbath oder mit seiner Soloband - viele unsterbliche Songs und Alben schuf.
Neben Ronnie James Dio möchte ich an dieser Stelle Vinnie Appice lobend erwähnen: nur wenig langweilt mich im Normalfall musikalisch mehr - egal ob live oder auf Konserve - als die Technikschau eines Schlagzeugers. Trotzdem kann ich mich nicht erinnern, jemals auf dieser von mir oft gehörten Platte das Drum-Solo von Vinnie Appice in “War Pigs” übersprungen zu haben.
Wahrscheinlich ist “Live Evil” auch die Ursache, daß die Black Sabbaths Originalbesetzung bei mir nie den vielleicht verdienten Stellenwert erlangen konnte. Werke wie “Vol. 4” haben ihren ganz eigenen Reiz, aber abgesehen von einigen Ausnahmen habe ich die älteren Black Sabbath-Songs mit Dios Stimme kennen und lieben gelernt. Egal, dass die Gesangslinien von Ozzy Osbourne stammen, “Black Sabbath” klingt von Dio gesungen in meinen Ohren eben doch eine Spur düsterer und bedrohlicher als das Original. Dazu kommen die Songs von “Heaven & Hell” sowie “The Mob Rules”, zwei eigentlich gleichwertige Alben, von denen in meiner Gunst “Heaven & Hell” einen minimalen Vorsprung hat. Der Titelsong ist ein episches Werk, welches wohl nicht nur mich nachhaltig beeindruckte, denn schließlich hat sich das 2007 zum dritten Mal vereinte Lineup Appice, Butler, Dio, Iommi nach genau diesem Song benannt statt erneut die deutlich werbewirksamere Black Sabbath-Karte zu ziehen.
Vergleicht man “Live Evil” mit anderen “großen” Livealben, so hinkt es Klassikern wie Deep Purples “Made In Japan” oder Judas Priests “Unleashed In The East” hörbar hinterher. Neben leicht matschigen Sound ist vor allem der Livecharakter weitestgehend verloren gegangen und das Publikum über weite Strecken fast unhörbar im Mix verschwunden. Deutlich wird dies bei der Ansage “Our next album will be finally a live Album from Black Sabbath”, bei der das Publikum klingt, als würde es irgendwo außerhalb der Halle statt direkt vor der Bühne stehen.
Als dann endlich eine CD-Veröffentlichung erschien, war die Enttäuschung groß: aus für mich nicht nachvollziehbaren Gründen erschien das Album (genau wie Iron Maidens “Live After Death”) nur als gekürzte 1-CD-Version, also das genaue Gegenteil des heute oft verfluchten Veröffentlichungs- bzw. Formatewahns. Glücklicherweise traf bei Warner Brothers in den USA aber jemand anderes die Entscheidungen, denn dort wurde das vollständige Album als Doppel-CD veröffentlicht, ungewöhnlicherweise in zwei Einzel-CD-Hüllen. Als Import seinerzeit nur mit Aufwand zu beschaffen, aber genau wie die originale LP noch immer in meinem Besitz.
Appropos Formatewahn: Zum 40-jährigen Albumjubiläum hat die Band “Live Evil” eine Neuauflage in einer schicken (wenn auch ziemlich überteuerten) Box geschenkt. Neben einigem Material zum Lesen bzw. Betrachten ist auch ein 40th Anniversary Remaster und - deutlich interessanter - ein 40th Anniversary Remix enthalten. Dieser erreicht zwar keine audiophilen Sphären, schafft es aber, das Original klangtechnisch um einiges zu verbessern. Vor allem das Schlagzeugspiel profitiert hörbar vom neuen Mix, denn die Drums erklingen nun deutlich differenzierter.