Nach dem alles andere als überzeugenden Abschluss der ersten Staffel von “Star Trek: Picard” zeigen die Macher, daß noch einiges an Luft “nach unten” ist. Wie bereits vermutet, wird keine der offenen Fragestellungen der ersten Staffel auch nur ansatzweise beantwortet, was kurzfristig sogar etwas Hoffnung aufkeimen lässt: vielleicht hat ja doch irgendwer germerkt, daß einiges nicht so ganz rund war und man sich deshalb entschlosen, nochmal bei Null loszulegen?
So startet die Staffel denn auch mit “The Star Gazer” fulminant und ereignisreich, denn die Borg sind zurück und dürfen zunächst etwas mehr als nur Hintergrunddeko für die Handlung sein und auch der Auftritt von Q (wie bereits in TNG von John de Lancie dargestellt) sorgt für einiges an Spannung und Überraschung. Es folgt eine alternative Zeitlinie (wie oft gab’s das schon?) in einer faschistoiden Gesellschaft (hatten wir zum ersten Mal bei “Patterns of Force) und als wäre eine alternative Zeitlinine nicht genug, geht es kurz darauf zwecks Korrektur der Zukunft zurück ins Jahr 2024 ("Star Trek IV: The Voyage Home” lässt grüßen).
Während die Ankunft in der Vergangenheit noch recht Star Trek-konform und logisch dargestellt wird, nehmen die Plotlöcher und “WTF?"-Momente im Laufe der nächsten Episoden deutlich zu, denn “bloß nichts verändern” ist schnell vergessen und es wird munter planlos drauflosgehandelt. Eine junge Guinan wird eingeführt (irgendwer muß ja den Geist in der Flasche rufen), Isa Briones darf in einer alternativen Rolle namens Kore Soong weiter mitspielen und auch Brent Spiner wurde wieder reaktiviert, diesmal als Dr. Adam Soong, der seine vorgenannte “Tochter” erschaffen hat.
Letztendlich ist es eine Vorfahrin von Jean-Luc Picard, nämlich Renée Picard, die trotz deutlich depressiver Neigungen von der NASA auf wichtige Mission geschickt werden soll und Picard und Mannschaft müssen alles dafür tun, damit dieses Ereignis auch eintritt.
Bemerkenswert ist, daß vor allem im Mittelteil der Staffel weder Raffi, Seven oder Rios einen entscheidenden Baustein zur Lösung beitragen, sondern eher in beliebig wirkenden Nebenabenteuern (A-Team anyone?) Bildschirmzeit verplempern. Besonders Seven scheint zur Staffelmitte mehr zu einer reinen Stichwortgeberin zu verkommen, die meist nur recht unterbeschäftigt und sichtlich gelangweilt in der Deko steht.
Richtig ärgerlich wird es aber, wenn jegliche Logik und Erklärversuche eingespart werden und man bei z.B. “Two of One” trotz einer Folgenlänge von unter 40 Minuten noch das Gefühl hat, unplausiblen Füllstoff zu sehen.
Beispiele?
Mitten während einer NASA-Gala für die denmächst losfliegenden Astronauten erlischt das Licht, Agnes Jurati singt munter darauf los und die Hausband stimmt mitsamt Lichtregie so spontan ein, als wäre das schon immer der sorgsam geprobte Ablauf des Abends gewesen. Gäste, Organisatoren und auch die zahlreich anwensende Security finden das ebenfalls vollkommen normal.
Obwohl im Verlauf der Staffel mehrfach gezeigt wird, daß eigentlich keine Ecke ohne permanente Videoüberwachung ist, darf Dr.Adam Soong mit (s?)einem SUV einfach mal Jean-Luc Picard über den Haufen fahren, ohne daß Polizei oder sonstwer hinterher bei ihm klingelt.
Vorsichtshalber wird auch gar nicht gezeigt, wie die Crew den verletzten Picard ausgerechnet in die Klinik von Rios Loveinterest (kommt gleich) bringt. Dies spricht eindeutig dafür, daß die Macher durchaus wussten, wie dürftig das Drehbuch ist und ihnen wohl auch kein plausibler Weg eingefallen ist.
Rios bekommt mit Teresa Ramirez eine Ärztin als Loveinterest spendiert und drückt dieser bei übernächster Gelegenheit ein auch für sie sichtbar herbeiteleportiertes Gerät in die Hand, in der Hoffnung, daß sie Picards Gehirn damit rettet statt es zu grillen. Damit die Romanze aber richtig rund wird, werden Ärztin samt Sohn anschließend noch mit zurück ins Raumschiff teleportiert - man darf ja nichts auslassen, was die Angebetete beeinrucken könnte. Da ist es dann auch die logische Konsequenz, daß Rios am Ende der Geschichte gleich in der Vergangenheit bleibt um mit ihr ein wundervolles und erfülltes Leben (sagt Guinan) während des von 2026 bis 2053 andauernden dritten Weltkriegs (sagt die Star Trek Timeline) zu verbringen.
Da fällt es fast nicht mehr ins Gewicht, daß ein verwirrendes Gespräch mit ihrem Vater reicht, damit sich Kore Soong ein Zimmer weiter ins väterliche Labor begibt, um endlich mehr über sich und ihren Schöpfer zu erfahren. Hätte sie geahnt, daß dies schlussendlich zu einer überflüssigen Begegnung mit Wesley Crusher führt, wäre sie wahrscheinlich im Zimmer geblieben und hätte die Tür von innen verriegelt.
Für eine Folge wird FBI-Agent Martin Wells (seit seiner Kindheit auf Alien-Jagd) herein- und gleich wieder herausgeschrieben, der Picard und die junge Guinan festnimmt, verhört und natürlich wieder freilässt. Für die Rolle hätte man wenigstens David Duchovny casten können, aber wahrscheinlich war der zu teuer, um 15 Minuten in einer Abstellkammer herumzuplaudern.
Zum Staffelende, als auch die Jagd auf die Autobatterie-schlürfende Borg-Queen in die Endphase geht, kommt dann im verlassenen Picard-Anwesen noch eine unnötige Prise Erste Weltkrieg-Ästhetik hinzu. Waren die sterbenden Red-Shirts bei Star Trek immer eine klinisch saubere Sache, so dürfen Rafi und Seven in Nahaufnahme mit dem Messer morden und auch ein Trench-Run-Lookalike über ein mit um sich feuernden Gegnern gespicktes Feld darf nicht fehlen. Glücklicherweise war die Borg-Queen aber bei der Rekrutierung ihrer Truppen wohl nicht so wählerisch, denn die assimilierte Spezialeinheit kann vor allem eines gut: Ziele verfehlen.
Zurück in der Zukunft wird dann im letzten Akt der letzten Folge noch schnell geklärt, warum die Borg eigentlich aufgetaucht sind, eine große Bedrohung eingeführt und auch gleich gelöst, so daß die Folge entspannt in Guinans Bar enden kann.
Irgendwann kurz davor wünscht man sich als Zuschauer eigentlich nur noch, daß Jean-Luc Picard - in Anlehung an große Fernsehmomente - eines Morgens hinter dem Duschvorhang hervortritt und alles nur ein wirrer Traum war. Das passiert aber leider nicht. Schade, denn sowohl der Schauspieler Patrick Steward als auch der Character Jean-Luc Picard hätten eine deutlich bessere Serie verdient.
Die rührendsten Sekunden der kompletten Staffel sind wahrscheinlich das alte-Männer-Knuddeln zum Abschied zwischen Patrick Steward und John de Lancie in der letzten Folge und es bleibt das unbestimmte Gefühl, daß den beiden Schauspieler dabei ein “Endlich haben wir diesen Mist hinter uns!” durch den Kopf ging.