Kann “Comfortably Numb” ohne Gitarrensolo funktionieren? Meine spontane Antwort wäre ein klares “Nein” gewesen, aber Roger Waters beweist mit seiner Neueinspielung, daß es möglich ist.
Aktuell überlagert die inhaltliche Diskussion, vor allem befeuert durch ein mögliches Verbot des Konzerts in München, den Blick auf eine Entwicklung im Bereich der Ticketpreise, die für mich mehr als besorgniserregend ist und die dringend diskutiert werden sollte.
Die Konzerte von Roger Waters waren schon immer keine günstige Angelegenheit, dafür wurde aber auch Einiges nicht nur zum Zuhören, sondern auch zum Zusehen geboten: egal ob die “The Wall”-Shows oder die “Us & Them”-Tour mit ausfaltbarer Battersea Power Station, der Aufwand war gigantisch und im gewissen Rahmen damit erhöhte Ticketpreise auch gerechtfertigt und begründbar.
Was nun aber für die in 2023 laufende “This Is Not A Drill” / “First Ever Farewell”-Tour an Ticketpreisen in Deutschland abgerufen wird, ist jenseits von Gut und Böse:

Die Tickets starten in der Ecke unter dem Dach der Frankfurter Festhalle bei 93,47€. Möchte man halbwegs etwas von der Show sehen, so werden bereits 162,47€ bzw. 191,22€ pro Ticket verlangt, die Innenraumpreise liegen ab 225,72€ nochmal ein ganzes Stück darüber.
Addiert man einen Familienbesuch mit drei Personen, so reichen für den Konzertbesuch inkl. Anfahrt, Parken etc 500€ nicht aus - für zwei Stunden Unterhaltung und keinen Kurzurlaub mit Wellnesspaket und All-inclusive.
Sicherlich, auch im Musiksektor ist Personal wahrscheinlich genauso schwer zu finden wie in anderen Bereichen und auch die Verknappung auf dem Energiesektor und die damit steigenden Preise tun ein Übriges - aber irgendwo sollte eine gesunde Relation zwischen Preis und Leistung erhalten bleiben.
Wo die Schmerzgrenze liegt, ist für jeden Konzertbesucher individuell, daß rund eine Woche nach Verkaufstart (obiger Screenshot wurde 6 Tage nach Start des VVK aufgenommen) aber immer noch reichlich Tickets vorhanden sind zeigt, daß offensichtlich nicht nur für mich eine Grenze überschritten wurde.
“This Is Not A Drill” wird die erste Roger Waters-Tour im aktuellen Jahrtausend sein, die ich mir schon alleine auf Grund der preislichen Gestaltung nicht ansehen werde - unabhängig von den teilweise durchaus diskussionswürdigen Standpunkten, die “The Creator Of The Golden Years Of PINK FLOYD” (Tourwerbung) inzwischen vertritt.
Am 7. April machte überraschend die Nachricht die Runde, daß Pink Floyd eine neue Single veröffentlichen.
Auf der Basis eines Instragram-Videos des Boombox-Frontmans Andriy Khlyvnyuk haben David Gilmour und Nick Mason mit der Hilfe von Guy Pratt und Nitin Sawhney einen Charity-Song eingespielt und entschieden, diesen unter dem Banner “Pink Floyd” zu veröffentlichen. Die Entstehunggeschichte und Hintergründe erläutert David Gilmour im Artikel “‘This is a crazy, unjust attack’: Pink Floyd re-form to support Ukraine” des “The Guardian”.
Musikalisch ist “Hey Hey Rise Up” sicherlich nicht der stärkste und interessanteste Song, den Pink Floyd je veröffentlicht haben - aber darum geht es auch nicht. Es geht vielmehr darum, ein wichtiges Zeichen gegen Krieg und für Frieden und Solidarität zu setzen.
Es bleibt zu hoffen, daß Roger Waters die Idee “I had an idea to make an album of all the songs we did as encores on the US and Them tour.” auch tatsächlich umsetzt - um als reine YouTube-Pandemieclips aus dem Homestudio zu enden, sind die Aufnahmen einfach zu hörenswert.
Auch wenn bei “The Final Cut” noch der Name Pink Floyd auf dem Cover steht, auf der Rückseite des Albums verrät der Satz “The Final Cut – a Requiem for the post war dream by Roger Waters. Performed by Pink Floyd” einiges über die Entstehungsgeschichte des Albums.
Hierbei ist “Pink Floyd” mit Vorsicht zu genießen: Keyboarder Rick Wright, auf dem Vorgängeralbum “The Wall” bereits nicht mehr als vollwertiges Bandmitglied gelistet, fehlt auf “The Final Cut” komplett. Inwiefern es sich hierbei also um das letzte “klassische” Pink Floyd Album oder bereits die erste Roger Waters Soloscheibe handelt, darüber gehen die Meinungen weit auseinander.
Das Album, 1983 veröffentlicht, ist geprägt vom Kalten Krieg und refernziert auf mehrere damals aktuelle Geschehnisse - insbesondere den Falklandkrieg, welcher von April bis Juni 1982 andauerte.
Wer die Ereignisse nicht mehr so richtig präsent hat, wird spätestens beim Text von “Get Your Filthy Hands Off My Desert” gleich mehrmals zum Lexikon seines Vertrauens greifen:
Brezhnev took Afghanistan.
Begin took Beirut.
Galtieri took the Union Jack.
And Maggie, over lunch one day,
Took a cruiser with all hands.
Apparently, to make him give it back.
Die textlichen Aussagen sind - wie von Roger Waters gewohnt - oft mehr als deutlich und an einigen Stellen scheint die Musik lediglich dazu zu dienen, die Texte zu transportieren. Dazwischen glänzen Songs wie “The Gunners Dream” mit einigen der beeindruckendsten Melodien, welche auf einem Pink Floyd Album zu finden sind.
Der Song “The Fletcher Memorial Home” zeichnet das Bild eines Heims für unheilbare Tyrannen und Könige, die dort im abgregrenzten Bereich ihre Reden schwingen und Medallien polieren können. Ein fast friedliches Bild, wäre da am Ende nicht die letzen drei Zeilen
Is everyone in?
Are you having a nice time?
Now the final solution can be applied.
Aufhorchen lassen auch die superben Soundeffekte wie z.B. der quer durch den Raum fliegende Jet am Anfang von “Get Your Filthy Hands Off My Desert”, nach dessen ersten Bombenwurf sicherlich der ein oder andere Hörer panisch die heimischen Lautsprecher auf Schäden untersucht hat.
“The Final Cut” schließt mit “Two Suns In The Sunset”, einem Antikriegssong, der sich mit der Möglichkeit eines Atomkriegs beschäftigt (“the sun is in the east, even though the day is done”) und gleichzeitig - passend zum Rest des Albums - neben der stärksten Leistung von David Gilmour mit Andy Newmark am Schlagzeug auf ein weiteres Pink Floyd-Mitglied verzichtet.