Das zweite meiner Lieblingsalben hat mit dem bereits vor einiger Zeit vorgestellten “The Final Cut” von Pink Floyd so einiges gemeinsam:
Beide Alben wurden Anfang der 80’er Jahre veröffentlicht und zeigten eine Band im Auflösungsprozess bzw. kurz vor oder bereits während des Zerfalls, was den meisten Kompositionen und deren Interpretationen eine hörbare Intensität und Endzeitstimmung verpasst. Während sich Pink Floyd im mehr oder minder offenen Streit noch einmal zusammenrauften um “a Requiem for the post war dream by Roger Waters. Performed by Pink Floyd” einzuspielen, waren auch ABBA am vorläufigen Ende angekommen.
Bereits das Coverphoto - aufgenommen im Freilichtmuseum Skansen, Stockholm - wirkt im Gegensatz zu den fröhlichen Gruppenshots der früheren Jahre überraschend düster und zeigt die am Album beteiligten A, B, B und A nicht als Gruppe, sondern als vier Individuen, die mit deutlichem Abstand voneinander stehen.
Die privaten Beziehungen innerhalb der Band (Agnetha Fältskog und Björn Ulvaeus sowie Anni-Frid Lyngstad und Benny Anderson) waren zerbrochen und auch wenn Benny Anderson und Björn Ulaveus weiter im Studio zusammen an den Songs feilten, ist bereits beim ersten Hördurchlauf auffällig, daß im Gegensatz zu früheren Alben die Gesangsparts weitestgehend zwischen Agnetha Fältskog und Anni-Frid Lyngstad aufgeteilt sind und gemeinsame Teile die Ausnahme bilden.
Verflogen ist die Leichtigkeit und teils schon überzogene Fröhlichkeit der früheren Werke, die vor allem deshalb nur selten den Weg in meinen Player finden. Ganz anders “The Visitors”, das die Themen Abschied, Trennung, Angst vor einem Krieg und auch vor staatlicher Repression verarbeitet und den Hörer - ähnlich wie “The Final Cut” - von der ersten Sekunde an packt und berührt. Die Musik ist ruhiger und düsterer als auf den Vorgängeralben, eine der üblichen Gute-Laune-Uptempo-Nummern sucht man hier vergeblich. Besonders “When All Is Said And Done” wirkt bereits im Titel wie ein deutlicher Fingerzeit auf das bevorstehende Ende der Band, ein Eindruck, der beim Hören des von Anni-Frid Lyngstad sehr intensiv vorgetragenen Textes noch verstärkt wird.
Beim Kauf der CD sollte man darauf achten, gebraucht eine gut erhaltene frühe Pressung von “The Visitors” zu erwischen, die seinerzeit mit viel Liebe zum klanglichen Detail als eines der ersten Referenzprodukte für das neue Medium Compact Disc veröffentlicht wurde.
Nur wegen der Bonustracks gehören hingegen die Veröffentlichungen ins Regal, auf dem “Remastered” steht. Waren bereits die 2007’er Remasters im Westentlichen durch den Einsatz von viel zu viel Dynamikkompression geprägt, wurden die 2012’er Remasters noch um ein paar Dropouts bereichert - klanglich gesehen: Finger weg!