Igor Strawinsky wird mit dem Satz “Too many pieces of music finish too long after the end” zitiert, der mein Verhältnis zu den meisten Ayreon-Werken recht treffend beschreibt. Egal, wie gut ich eine einzelne Ayreon-Scheibe quer durch die ersten Takte und Tracks finde, irgendwo im Mittelpart stellt sich bei mir ein Gefühl der Orientierungslosigkeit ein: zu sehr verschwimmen Track- und Themengrenzen und mich beschleicht das Gefühl, daß eine Reduktion auf das Wesentliche meinem persönlichen Hörerlebnis gut getan hätte.
Eine Ausnahme bleibt für mich bis heute “Into The Electric Castle”, das meine Einstiegsdroge ins Ayreon-Universum war. Nicht nur, daß mich die musikalische Umsetzung der Geschichte vom ersten Moment an in ihren Bann gezogen hatte, auch der grandiose Cast mit - allen voran - Fish als Highlander weiss bis heute zu begeistern. Umso bedauerlicher fand ich, daß bis die Kunde über eine Live-Aufführung es bis zu mir geschafft hatte, bereits alle Konzerte ausverkauft waren. Also blieb nur das Warten auf die Konserve, welche sich in verschiedenen Verpackungen und audio-visuellen Formaten den Weg in die heimischen Wohnzimmer bahnt.
Zur Aufführung, die an vier Abenden im 013 in Tilburg stattfand, konnte fast der komplette origiale Cast des Studioalbums organisiert werden und da, wo Lücken entstanden, wurden diese mehr als würdig nachbesetzt: als besonders herausragend ist hier John Lancie (bekannt als “Q” aus Star Trek “The Next Generation” zu nennen, der die Rolle des Erzählers mit einer grandiosen Präsenz ausfüllt und dem in jeder Sekunde anzumerken ist, wie sehr ihn die Rolle in seiner ersten Rockoper mit Spaß erfüllt. Die Rolle von “The Indian” (im Original von Within Temptation-Sängerin Sharon den Adel verkörpert) wird von Epica-Sängerin Simone Simons übernommen, während ihr Bandkollege Mark Jansen die Rolle eines der beiden Tode verkörpert. Den meisten Applaus erhält wie erwartet Maestro Arjen Lucassen selbst, der sich in der Rolle des Hippie sichtlich wohl zu fühlen scheint. Sein “Partner in Crime” Jost von de Beek erfüllt hinter den Tasteninstrumenten seine Rolle als musikalischer Dreh- und Angelpunkt wie schon bei “Ayreon Universe” souverän.
Nicht nur die musikalische Umsetzung ist gelungen, auch für’s Auge wird einiges geboten und die auf der Bühne errichtete Burg mit integrierten Leinwänden ist mehr als Background-Deko, sondern wurde gut ins Geschehen integriert.
Als Bonus gibt es noch eine ganze Reihe ausgewählter Songs aus verschiedenen Projekten, von denen besonders “Twisted Coil” (ursprünglich aus dem Projekt The Guilt Machine stammend) hervorgehoben werden muss. Wer schon immer den Gedanken hatte, daß der Song eigentlich Damian Wilson wie auf den Leib geschneidert wirkt, kann sich hier davon überzeugen, daß dem tatsächlich so ist.
Bedauernswert bei der Auswahl ist lediglich, daß man (wie den Specials zu entnehmen) Fish überredet hat, statt der von ihm vorgeschlagenen “Incommunicado” oder “The Company” doch “Kayleigh” zu intonieren. Wer einmal Fishs Soloalbum “Sushi” (aufgenommen 1994 in Utrecht) gehört hat, weiß, daß man den Mann nicht auf “den einen Hit” reduzieren muss, damit die Halle tobt.